Moss Machine 05
2005 | Eschbachtal / DE
Konzept: R.H.
Moosmaschine
Impressionen / Gedankenskizzen
Das Bergische Land scheint von einer besonderen Magie. Kleine Fachwerkkaten zwischen den grünen Hügeln mit Waldtupfern, wie aus dem Modellbaukasten einer Eisenbahnanlage stammend, wechseln abrupt mit großen Industriebauwerken, die fast wie ein urtümliches Raumschiff im Nebental lauern. Surreal, visionär apokalyptisch bis heute.
Bei meiner ersten Besichtigung des Eschbachtals handelte sich um einen jener seltenen warmen Sommertage im Bergischen Land, an denen man nach einem Freibad sucht, die es früher überall gab. Mit einfachen Holzbuden und einem türkis getünchten Betonbecken in dem das Bachwasser nur durch ein Kiesbecken gefiltert einläuft: grün und –meist- kalt.... und 3 Frösche hüpfen heraus wenn ein Schwimmer eintaucht... Auch der Eschbach soll wohl am Oberlauf so ein Bad haben.. erzählte eine Spaziergängerin.. Nein moderner natürlich.
Wasser ist überall... das Bergische Land ist Wasser..... es war eine der großen frühen Energieressourcen der Region. Bei Recherchen fällt auf, dass es relativ oft kleine Nebenbäche waren, die extensiv genutzt wurden; weniger die größeren Flüsse. Vielleicht waren die Bäche berechenbarer in Ihrer Haushaltung. Weniger gefährdet durch Hochwasser oder anderweitig willkürlich. Die bestimmenden Naturfarben der Region scheinen Grün (in allen Schattierungen von gelb bis blau), Schwarz und Silbern zu sein. Auch die weißgetünchten Fachwerkkaten mit den schwarzen Dächern und dem Eichengefache sind wie gewachsen und getarnt.
Die Wanderung im Eschbachtal stromaufwärts durch das geplante Ausstellungsgelände verzaubert durch verwunschene Orte.. das Licht flimmert, spiegelt, erzeugt Momente von Schönheit, die inspirieren für Installationen und Wundermaschinen.
Das drusische Springkraut wird zur Orchideenwiese und nackte Felsschädel entlang des Weges lassen an Schlangen denken. Und immer wieder Wasser. Aus jeder Fuge scheint es zu quellen und tropft und gluckst. Gebrochen werden diese Impressionen an zahlreichen Stellen durch triviale Zivilisationsspuren, die bis heute von einer Armut in der Region zeugen. Plastikstühle und Tonnen am alten Mühlteich, Schuppen aus Wellblech und den Sonderpostenmaterialien der Baumärkte zusammengebastelt, lassen die verwundete Natur nicht zur Ruhe kommen. Ein gigantisches Rohr durchquert das Tal als Statement! Unbewusst sucht das Auge nach Spuren, rekonstruiert in archäologischer Manier die Funktion der Wasserführung mit den Seitengräben, Beipässen und Kanalrinnen – wie erschloss sich dieser Mühlengraben, jenes Wehr usw.. Irgendwann wich die Neugier einer Melancholie und Schwermut.
"Wounded Nature" Man glaubt ein Stöhnen und Weinen zu hören. Verdeckt unter Moosen, Mauern und Wehren.... überwachsen von Strauchwerk und Nesseln. Ein Prozess hat eingesetzt.... ..unwirtschaftlich.......vergessen, sich selbst überlassen..
Der Eschbach strömt längst wieder in seinem ureigenen Rhythmus. Die Geschichte hat ihn nach einer Blütezeit wieder entschleunigt. Seine Effizienz entfiel / verfiel zu einer 'Beschaulichkeit' wie sie vor der Nutzung der Wasserkraft gewesen sein muss. Es fließt wieder, wie es immer floss, so wie die Zeit bevor sie gemessen wurde. Natürlich ist es die gleiche Zeit, aber wenn wir sie durch Uhren visualisieren und sie in Fraktale zerlegen, glauben wir sie sei begrenzt....könnten sie effizienter nutzen oder wir könnten sie festmachen. Natürlich bleibt es objektiv immer die gleiche Zeit ... und doch jetzt wo die Wirtschaftlichkeit entfiel für den Eschbach, fließt auch der Bach, die Zeit wieder langsamer
Und dann stimmen auch wieder diese Bilder der vereinzelt angrenzenden Hinterhöfe von Kleingärtnern oder den Plastikstühlen am Fischteich. Das alles hat etwas naives, versöhnendes.. mit der Natur mit den Menschen heute und der Geschichte der Zeit.
Lediglich das Springkraut stört wie ein Anarchist. Als solle alles noch einmal von vorne beginnen... die Globalisierung im Eschbachtal.. Es stammt aus Nordindien, wurde erst 1839 in England eingeführt und verbreitet sich zum Schrecken der Naturschützer dramatisch –besonders entlang der Flüsse und Bäche. Zahlreiche heimische Pflanzen haben keine Chance gegen diesen Neophyten. Eigentlich handelt es sich um das Endstadium der Globalisierung, die es immer schon gab, auch wenn man es nicht realisierte. Was bleibt ist das Moos. Es wird zum Symbol für das Eschbachtal... für die Zeit und das Strömen und Fließen.............
In Verbindung mit dem Element Wasser als Regen, Nebel, Niederschlag oder durch den Zulauf der Seitenbäche und natürlich dem Eschbach selbst, entsteht eine unabdingbare Symbiose in dieser Landschaft zwischen Moosen, dem Wasser und dem Strom dieser Kontinuität.
Konzept Moosmaschine
Der Ausgangspunkt der Moosmaschine hat zwei grundsätzliche Gedankenansätze:
Moos reguliert das Wasser (als biologisches Reservoir) und sorgt somit für immerwährenden Nachschub trotz diverser Klimaschwankungen. Moos fungiert im Kreislauf der großen Wettermaschinen als stabilisierendes Element. Der andere Aspekt ist die Zeit. Wie kaum ein anderes Medium visualisiert Moos den Fluss der Zeit. Ihm haftete das prozesshafte an. Sogar Kinder erkennen, dass etwas gealtert, vergangen ist, wenn es Moos ansetzt. Lange bevor Zerfall oder Verwitterung einsetzten überziehen Moose alle Dinge, die im Freien sich selbst überlassen bleiben. Langsam, beständig, stetig. Gleich, ob Bäume, Ruinen oder den heimlich im Wald verbrachten Müll. In den feuchten Regenwäldern des Bergischen Landes verwischen Moose und Geflechte auch die Spuren der frühen Industrialisierung. Zwar bleiben die meist erheblichen Eingriffe in die Geostruktur (Bergbau, Flussregulierungen usw.) noch nach Jahrhunderten lesbar, so auch die Spuren der Wasserbauten im Eschbachtal. Aber sie werden durch Moose mit dem gesamten Environment verwoben.