Addicted To Painting
2012 | Malsucht | Neues Kunstforum / Köln
Fotos: Olaf-Wull Nickel, R.H.
"Der Fehler fängt schon an, wenn einer sich anschickt, Leinwand und Keilrahmen zu kaufen"
versus
"Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!"
Eigentlich gibt es mindestens drei Geschichten, die mich zu dieser Ausstellung bewegen.
Der Beginn lag in der Mitte der 70er Jahre als ich in meinem ersten, riesigen Atelier, die Malerei aufgab und mit dem Bau von Glasvitrinen begann. In ihnen entwickelte ich Miniaturgeschichten und Erzählungen und diese Objektbilder verkaufte ich mit zunehmendem Erfolg auf dem damaligen Neumarkt der Künstler.… Es war auch die Zeit, in der nicht zuletzt Joseph Beuys mit seinem legendären Spruch (siehe oben) die Malerei deklassierte –zumindest wurde es so verstanden.
Die Bildererzählungen sprengten sehr bald die Glasvitrinen. Kunstblumen rankten durch Risse und Löcher an die Oberfläche oder Figuren sahen von außen in die Landschaften der Glaskuben zurück… Die Geschichten verließen ihre 'Brutkästen'.
Während des Studiums – das ich ironischer Weise in der Freien Malerei bei Prof. Dank, in Köln begann, aber dann in die Metallbildhauerei zu Prof. Berger wechselte , forcierte ich diese haptische Malerei – was sie ja letztendlich für mich war- und entwickelte sie weiter zu großen Environments. Zunehmend wurden die Objekte zu einem Bestandteil – wie Farben genutzt – und in diese Arbeiten integriert.
Parallel ergänzten erzählende Performances die Gesamtkunstwerke. Aber auch diese Arbeiten wurden eigene Geschichten – was sie sowieso sind - und die Malerei blieb als Sehnsucht einer Freiheit die scheinbar den Zufall gewähren lässt und doch eine gnadenlose Selbstdisziplin erfordert. Das Scheitern und die Euphorie als Antipoden, die sich beide mit Abstand einer selbstkritischen Distanz ins Gegenteil verwandeln können.
Die Environments wurden zu Interventionen, Projekten, Rauminstallationen…. In dieser Zeit erweiterten sich die internationalen Künstlernetzwerke und die hieraus resultierende Kommunikation wurde zur Kunst? (Richard Kriesche). Der mit den Netzwerken verbundene zeitaufwendige organisatorische und bürokratische Aufwand nahmen jedoch zunehmend den notwendigen freien Raum und das kreative Potential ein.
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Erschöpft und doch voller Erwartung und Neugier, begann ich vor einigen Monaten - fast heimlich –wieder zu malen. Viel zu spät und selbstkritisch.. es fehlte die Freiheit der naiven Jugend. Man hat zu viele Ausstellungen gesehen in einem langen Künstlerleben und die Einflüsse – mögen sie noch so verschüttet und unbewusst sein - werden von kritischen und geübten Außenstehenden umgehend den entsprechenden Künstlern oder deren Schulen zugewiesen bzw. als deren Ideen identifiziert. Als wenn das in der Epoche des Internet und der visuellen Verseuchung der Bilder noch eine Rolle spiele. Spielt es?
Vor einigen Jahren verschwanden die meisten Motive in der Malerei hinter weißen Nebelschleiern oder wurden schlichtweg übermalt.. Dieses Konzept erschien mir reizvoll doch ich würde lügen, würde ich mir nicht eingestehen dass mich der filigrane Baum von Caspar David Friedrich oder eine Explosion von Pollock nicht stärker in den Bann zieht.
Geschichte 2
Am Morgen seiner Bestattung träumte ich von Sigmar Polke und da war dieses höhere Wesen, das mir sagte " fang jetzt endlich zu malen an" als ich aufwachte, war ich irritiert und wunderte mich… ja im Kalender stand für 11:00 Uhr seine Beerdigung und ich hatte eh mit dem Gedanken gespielt hinzugehen.
Danke, Sigmar .. ja die Kuratoren waren da, von der Modern Tate in London bis zu den Königen. Hallo Lisa und Theo… Gespräche Frank Köllges und anderen taten gut…
Die 3. Geschichte
ereignete sich im Letzten Jahr. Auf der Suche nach einem neuen Atelier besichtigte ich eine verlassene Werkstatt. In ihr stand eine gewaltige Menge Farbeimer mit eingetrockneten Mischtönen.. jeder für sich beinhaltete eine zerrissene Landschaft wie aus dem Flugzeug betrachtet. . jeder für sich transportierte Assoziationen zu Flussdeltas, Wüstenböden oder den Wänden von Lehmbauten. Und…. vielleicht ist die Sehnsucht zur Malerei ja auch eine Suchtbeziehung dieser einzigartigen Gerüche.. Der feuchte Moder von Kreiden oder den Gouachetuben, der Staub der Pigmente über dem Geruch der Bindemittel ….. Terpentinöl oder Caparol bis hin zu Schellacken, Firnisölen und diversen Lösungsmitteln, die sich in die Kisten verirrt haben.
Das Konzept
zu dieser Rauminstallation im Gebäude des Neuen Kunstforum entstand in wenigen Stunden; es ist aber wohl über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren und zahlreichen Besuchen genau für diesen Raum gewachsen. Die Halle mit ihren markanten, architektonischen Elementen stellte für mich immer eine Herausforderung dar. Nicht zuletzt die an Kirchenfenster assoziierenden Giebel an den Kopfenden, die eine Fabrikhalle zu fassen scheinen bestimmen mit ihren Ausblicken auf Bäume und der Stadtarchitektur wie gewaltige Bilder die Situation. Als gelernter Kunstglaser haben die Fensterflächen für mich eine besondere Bedeutung. (werde sie noch einbeziehen…)
1 Die Wände des Erdgeschosses bleiben leer! Lediglich in der hinteren Ecke an der Südseite werden 3 auf Holzplatten gemalte Landschaften / Ölbilder hängen, sowie eine Zeichnung. Es handelt sich um romantische Landschaften, die ich im Alter zwischen 15 und 17 Jahren gemalt hatte.
2. Der Raum selbst löst sich auf und wird doch bestimmt, durch schwebende Spurensicherungen. Auf verschiedenen Höhen hängen 3 große Podeste aus Stahlrahmen mit Glasscheiben, die Bilder wie aus einem Atelierboden ausgeschnitten darstellen. (Stahlrahmen/ DSG Sicherheitsverbundglas) es handelt sich um Spuren und Materialien, Folienresten etc. aus meinem letzen Atelier. (s. Skizze u. Foto 1)
3. Unter den oberen Lauftraversen der Obergänge werden ca. 250 eingetrocknete Farbeimer gehängt die wie eine untere Ebene in Höhen zwischen ca.0, 20 m – 1,40 m über dem Boden schweben. In weiteren Gefäßen befinden sich Geruchspuren von diversen Malmitteln, die jedoch sehr dezent die anderen Stoffe nicht übersteigern sollen.
4. Entlang der oberen Galerien reihen sich diverse Skizzen, Blätter und kleinformatige Malerei-Experimente der letzten 2 Jahre – die noch nie ausgestellt wurden. Ich betrachte sie nicht als fertige Bilder, sondern in gewisser Weise als eine Fortführung meiner Performances.. Das Scheitern ist auch der Malerei immanent. Es handelt sich also um einen künstlerischen Prozess, der nicht abgeschlossen ist und kein fertiges Ergebnis vorweist. Vielleicht geht es weniger um das Ergebnis eines Bildes, sondern um den Versuch in den Arbeitsproben die Glücksmomente ebenso wie das Scheitern zu vermitteln. Vielleicht werden sie als "Material" wiederum zerschnitten, colagiert, übermalt oder einfach weggeworfen.
5. Der dominante schwarze Steinboden wird komplett mit weißen Papierbahnen ausgelegt. Die Spuren herab rieselnder Pigmente und die Fußabdrücke / Radspuren der KünstlerInnen Hauses und der BesucherInnen dokumentieren als Spurensicherung - eine Art demokratisches Gemälde von 10 x 40 m den Ausstellungszeitraum.
Die gesamte Arbeit, die sich ja eigentlich mit dem zweidimensionalen künstlerischen Medium der Malerei auseinandersetzt wird zu einem phantastischen Traum, und in dieser Installation zu einer Sehnsucht in dem sogar Bilder als Skulpturen möglich scheinen. Es handelt sich aber auch um eine sentimentale Reminiszenz an ein sich wandelndes Medium Rolf Hinterecker
"The mistake already starts when someone starts to buy canvas and stretcher frame" (Joseph Beuys)
versus
"Higher beings commanded: paint the upper right corner black!" (Sigmar Polke)
To fail is also immanent in painting.
At the beginning of the 70s I gave up painting and started to build glass display cases and object boxes. In them miniature stories and narratives developed and I showed these object pictures in a moss environment at the Neumarkt of the artists... It was also the time when Joseph Beuys declassified painting with his legendary dictum (see above) - at least that is how it was understood.
Very soon my picture stories blew up the glass showcases. Artificial flowers crept through cracks and holes to the surface or figures looked back into the landscapes of the glass cubes from outside... The stories left their 'incubators'.
During my art studies I forced this haptic painting in the class of Prof. Berger - what it ultimately was for me - and developed it further into large landscape installations and complex 'laboratory environments'. The objects themselves became more and more 'pictorial material' and therefore - like colours used - integrated into these works. (which did not exactly promote a sale)
At the same time, narrative performances complemented the Gesamtkunstwerke . But these works also became stories in their own right - which they are anyway - and painting remained as a longing for a freedom that seems to allow chance to prevail and yet requires merciless self-discipline. Failure and euphoria as antipodes, both of which can turn into the opposite with a distance of self-critical distance.
Over the last 20 years, international artist networks have expanded as part of the work and the resulting communication has become part of art. (Richard Kriesche ). The time-consuming organisational and bureaucratic effort associated with the networks, however, has also provided a 'risk-free retreat' for the artists' own artistic processes.
Thus the hanging paint buckets with their dried-up mixed shades are also a metaphor, as if time had continued to paint.
After more than 40 years, I began to paint again a few months ago - almost secretly - exhausted and yet full of expectation and curiosity. Much too late, self-critical and fully aware of the risk ... the freedom of the naive youth is missing, too many biennials and exhibitions have been seen in a long artist's life and the influences - however buried and unconscious they may be - are immediately assigned by critical and experienced outsiders to the respective artists or their schools or identified as their ideas. (As if this still played a role in the era of the Internet and the visual contamination of images. Does it play a role?)
It is the immediate euphoria and the deep fall that excites me. The intuitive, spontaneous decision - to add a little black ... it can be a wrong one .... All this beyond the criteria of a cultural industry in which even the subversive has long been adapted.
And .... perhaps the longing for painting is also an addictive relationship of these unique smells. The opening of gouache tubes, the damp mould of chalks or the dust of pigments over the smell of binders .... Turpentine oil or caparol to shellacs, varnish oils and various solvents that have gotten lost in the boxes. The floating object pictures on the steel frames are current evidence that was created during the work process on the studio floor. ... and the stone floor covered with cardboard paper holds the traces of trickling pigments and the footprints of the visitors. They become another 'painting'.
Along the upper galleries there are various sketches, sheets and small-format painting experiments of the last months - which have never been exhibited before. It is less about the result of a painting, but rather about the attempt to convey the moments of happiness as well as the failure in the work samples. Perhaps they will be cut up again as "material", colaged, painted over or simply thrown away.
Above all, the metamorphosis appealed to me to meet the light with trivial technical means, foils and consumer materials ...
On the morning of his burial I dreamt of Sigmar Polke and there were these higher beings who told me "start painting now".
Rolf Hinterecker 2010; concept for the environment addicted to painting (" Malsucht') in the Neues Kunstforum Cologne 2010